Ich dachte, es sei so. Einfach. Ich habe das
Sprießen, Wachsen, Blühen und die Früchte (später im Jahr) nie hinterfragt. Es
schien mir ein klarer, natürlicher Ablauf. Den ich so hinnahm. Ganz
selbstverständlich. In seiner Wiederkehr. Jahr für Jahr. Und der mir ganz leicht
erschien. Jetzt jedoch höre ich, dass der Boden, das Feld alles mühevoll nach
oben schiebt. Und dass sich dort unten Kämpfe abspielen. Die dauern. Und sehr
zehrend sind. Für den Boden. Bis alles an die Oberfläche kommt. Und der Boden
dann das, was vorher in ihm war, dem Außen preisgibt. Dem Regen. Dem Wind. Der
Sonne. Manchmal auch dem Schnee. Ich höre, dass das, was sich im Boden
befindet, lieber dort bliebe. Unten. Im Erdreich. Dem Boden jedoch ist das zu
schwer. Deshalb hebt er alles nach oben. Und schiebt es. Nach außen. Mehr noch:
Das Feld ist einen Schritt weitergegangen. Es hat sich selbst weitergetrieben.
Zum Meer hin. Das Feld treibt sich selbst voran. Zur Küste. Und stürzt sich
dann ins Meer. Weitere Felder folgen. Viele Felder folgen. So wächst dort (im
Meer) etwas heran. Noch ist es unter der Oberfläche. Aber bald schon wird es
sich zeigen. Es wird sich selbst nach oben heben. Und eine Insel sein. Die
Insel der treibenden Felder. Wir werden auch dort sein. Auf der Insel. Und bald
schon treiben wir. Aus.
Freitag, 31. März 2017
Donnerstag, 30. März 2017
Druck. Des Seltsamen.
Ich habe eine Einladung
erhalten. Zu einer Vernissage. Die Ausstellung findet in einem Kraftwerk statt.
Mir gefällt die Atmosphäre. In diesem Gebäude. Das ist der Hauptgrund, weshalb
ich immer wieder herkomme. Zur Eröffnung redet jemand. Wie jedes Mal. Oft höre
ich gar nicht zu. Heute jedoch ist das anders. Es interessiert mich. Denn das,
was sich hier gleich zeigen wird (nach dieser Ansprache), scheint mir doch
recht ungewöhnlich. In dem Raum (es ist das Kesselhaus), der jetzt noch
verschlossen ist, hängen zwölf Bilder. Es sind großformatige Drucke. Das
Besondere ist, dass niemand ihre Urheberschaft kennt. Sie tauchten einfach auf.
Und seither hängen sie an den Wänden des Kesselhauses. Darüber hinaus gestaltet
es sich so (und hier werde ich noch hellhöriger), dass es keine Informationen
dazu gibt, wie die Drucke überhaupt in das Kraftwerk, in das Gebäude gelangt
sind. Niemand weiß, wer sie angebracht hat. Ganz im Innern des
Kraftwerks. Die Ausstellung trägt den Titel: Druck. Des Seltsamen. Und jetzt verstehe ich, wie nah das liegt. Den
Anwesenden ist die Unruhe anzumerken, endlich die Bilder zu sehen. Und dann
öffnet man die Tür. Alle drängen und strömen hinein. An was ich mich dann noch
erinnere: Die Bilder sind grau. Und seltsam. Die Menschen erstarren. In diesem Raum.
Es ist jetzt vollkommen still. Im Kesselhaus. Jemand schließt die Tür. Und dann
geht das Licht aus. Als es wieder hell wird, liege ich auf einer Wiese. Der
Druck des Seltsamen ist auch hier. Um mich. Er haftet noch an mir. Obwohl ich
mich draußen befinde. Und das Kraftwerk gar nicht mehr in Sichtweite ist. Alles
ist grau hier. Und seltsam. Wie im Kraftwerk. Zu dem es mich jetzt zieht. Ich verschaffe
mir Zugang. Und dann bin ich im Kesselhaus. Das ist der Raum mit den Bildern.
Und auf dem Boden stapeln sich jetzt hunderte, tausende dieser Bilder. Und ich
sehe, dass sie hinausflattern. Ich suche nach der Quelle. Irgendwo muss ein
Zulauf sein. Und ich gehe in den Raum hinter dem Kesselhaus. Und hier sehe ich Fässer.
Mit weißer und mit schwarzer Farbe. Und einen Mischer. Der das Grau anrührt.
Und dann durch die Wand presst. Sodass es sich zeigt. Auf der anderen Seite. Im
Kesselhaus. Ich stelle mich zwischen die Farbfässer. Und tauche meine Hände in
die Farbe. Und da presst sich etwas durch die Wand. Ich gehe zurück. Ins Kesselhaus.
Dort ist jetzt jemand. Gehalten. In Grau.
Mittwoch, 29. März 2017
Raum (mit Leitern)
Ich habe das Zimmer betreten. Und zuerst an
eine Bibliothek gedacht. Mit hohen Regalen. Die Wände sind jedoch leer. Frei.
Es gibt keine Regale. Oder irgendetwas anderes. Es sind ausschließlich die
Leitern, die daran lehnen. Und ich frage mich, wohin die Leitern führen. Oder
was mit oder über sie erreichbar ist. Alles ist weiß hier. Der Boden. Die
Decke. Die Wände. Und auch die Leitern. Selbst die Fenster sind weiß. Was mich wundert.
Denn das Licht hier ist hell. Und alles im Raum erscheint klar. Es liegt nah,
auf eine der Leitern zu steigen. Und den Fragen nachzugehen. Noch zögere ich.
Ohne den Grund zu kennen. Ich gehe noch viele Male auf und ab im Raum. Und dann
habe ich meinen Entschluss gefasst. Ich gehe zu einer Leiter. Und steige sie
langsam hinauf. Sprosse für Sprosse. Irgendetwas ist sonderbar. Denn ich
klettere jetzt schon mehrere Minuten. Ohne das Ende der Leiter erreicht zu
haben. Dann aber sehe ich die oberste Sprosse. Und komme an. Dort (ganz oben)
ist ein Fenster in der Wand. Das auch weiß ist. Aber ich kann hinaussehen. Und blicke
in einen Hinterhof. Alles ist grau: Die Häuser. Die Pflanzen. Der Tag. Und auch
die Menschen. Die jetzt in mein Blickfeld kommen. Sie spielen mit einer
Konservendose. Die mit irgendetwas gefüllt ist. Den Geräuschen nach sind es
getrocknete Erbsen. Die Dose ist zusammengestampft. Zu einem flachen Objekt.
Das mich an einen Puck erinnert. Und dieser Puck wird durch den Hof geschossen.
Und bei jedem Schuss höre ich die Füllung. In ihm. Dann geht er auf. Sein
Inneres verteilt sich im Hof. Es ist jetzt überall. Nun beginnt es zu regnen. Schon
sprießt es. Und nach kurzer Zeit ist der Hof ganz grün. Das Fenster, durch das
ich schaue, wuchert zu. Ich ziehe die Leiter, auf der ich stehe, jetzt unter
mir weg. Und schiebe sie durch das weiße Fenster. Das gar nicht aus Glas ist.
Sondern aus Farbe. Und die Leiter reicht nun hinunter. Bis in den Hof. Sodass
ich hinunterklettern kann. Durch das Grün. In das Grün. Ich sehe mich um. Ich
bin umgeben von vielen Leitern. Zahllosen Leitern. Verborgen. Im Grün. Ich
werde bleiben. In diesem Hof. Und alles ableiten. Von hier.
Dienstag, 28. März 2017
Lichtgrüner Wagen
Am Morgen gehe ich über die Ringstraße. Ich
passiere das Theater. Und erreiche einige Minuten später ein Palais. Das ist
der Ort, wo ich arbeite. Seit Jahren schon. Meine Kanzlei ist sehr weitläufig. Ich
schätze die hohen Decken. Und die Kühle. Die das alte Gemäuer spendet. Jetzt
besonders, da es draußen unerträglich heiß ist. Selbst wenn ich zwischendurch
die Fenster öffne, um ein bisschen die Stadt hinein zu lassen, bleibt es
angenehm kühl in meinen Räumen. Seit einigen Tagen ist es hier jedoch anders.
Wenn ich morgens mein Arbeitszimmer betrete, steht mitten im Raum ein Wagen. Es
ist ein Gefährt, das mich an einen Zirkuswagen erinnert. Es ist lichtgrün. Und strahlt.
Da mein Arbeitszimmer weitläufig ist, nimmt der Wagen nicht die gesamte Fläche
ein. Aber er ist eben da. Der Wagen. Ich bin schon einige Male um ihn
herumgegangen. Und habe an seinen Außenwänden gelauscht. Ich möchte wissen, ob
da irgendetwas ist. Im Innern des Wagens. Bisher war es immer ganz still. Mir
fällt es seit der Ankunft des lichtgrünen Wagens schwer, mich auf meine Arbeit
zu konzentrieren. Die Schriftsätze erfordern äußerste Konzentration. Ich jedoch
habe die Befürchtung, dass mir jetzt Fehler unterlaufen. Oder möglicherweise schon
unterlaufen sind. Und sich dies unvorteilhaft auswirken wird. Auf mich. Und
meinen Ruf. Der bisher tadellos war. Neuerdings sitze ich an meinem Schreibtisch.
Und blicke immer wieder auf. Zum Wagen. Und ich bin unruhig. Und tatsächlich: Ich
liege richtig. Mit meinem Gefühl. Denn jetzt öffnet sich die Tür. Des Wagens.
Und heraus kommt etwas Lichtgrünes. In der Form eines Balkens. Der Balken ist
etwa so groß wie ich. Nur eben schmaler. Und da sind auch keine Gliedmaßen (ich
sehe weder Arme noch Beine). Er hat auch keinen Kopf. Dann höre ich eine
Stimme. Die sehr angenehm klingt. Ganz menschlich. Und sie sagt: Ich bin komprimiert. Und der Balken
kommt auf mich zu. Und er lehnt sich über die Akte. Wenige Sekunden später
öffnet sich der Balken. Kurz nur. Und es fällt ein Zettel heraus. Er landet
direkt vor mir. Auf meinem Schreibtisch. Aus dem Balken spricht es: Kernsatz. Und auf dem Zettel steht in
der Tat der Satz, der den gesamten Sachverhalt meiner Akte zusammenfasst. Prägnant.
Und schlüssig. Eine Viertelstunde später sind alle Kernsätze gefunden. Und
formuliert. Für alle Akten, die ich zu bearbeiten habe. Und so gehe ich aus dem
Büro. In ein Kaffeehaus. Trinke eine Melange. Und verlasse dann die Stadt. In
einem lichtgrünen Wagen.
Montag, 27. März 2017
Time Door
(I)
Das Gebäude ist mit einem Code gesichert.
Rechts neben der Tür gebe ich eine vierstellige Zahl ein. Dann springt die Tür
auf. Ich stehe in einem barocken Saal. Es ist zugig hier. Und es riecht nach
Talg. Die Kleider der Frauen rauschen, wenn sie sich bewegen. Und die vielen
Kerzen tauchen den Raum in ein eigentümliches Licht. Das Licht bewegt sich. Es
changiert. Vom Hellen ins Dunkle. Und wieder zurück. Mal liegt ein Winkel ganz
dunkel da. Um dann kurze Zeit später wieder ganz licht zu sein. Und so ist es
auch mit den Gesichtern der Menschen. Ich sehe in ein Gesicht. Und dieses
Gesicht wechselt. Es verändert sich. In einer schnellen Abfolge. Stakkatohaft. Und
ich kann mich nicht festsehen. An einem Gesicht. Ich kann es nicht einmal kurz
ansehen. Mir wird schwindelig. Dabei. Und ich fühle mich berauscht. Von diesen
Wechseln. Die Sprache, die ich hier höre, ist mir fremd. Sie erinnert mich an
meine. Aber es ist eine sehr alte Form. Die Laute folgen einer längst
vergessenen Melodie. Und ich überlege, mich einzuhören. Entscheide mich jedoch für
etwas Anderes. Und verlasse den Raum.
(II)
Ich gehe um das Gebäude herum. Und stehe
wieder vor der Tür. Ich gebe die Zahl ein. Die Nummernfolge. Wieder springt die
Tür auf. Und ich stehe in einem Raum. Es ist ein Schreibmaschinensaal. Die
Geräusche der Maschinen sind wie kleine Hammer. Die auf Metall schlagen. Und
hier verläuft nichts synchron. Es ist ein hämmerndes Durcheinander. Und dann
ist da noch dieses klingelnde Geräusch. Am Ende der Zeile. Man weist mir einen
Platz zu. Und ich setze mich. An eine Maschine. Neben der Maschine liegt ein
handgeschriebenes Blatt. Das ich
abzutippen habe. Und ich brauche einen Moment. Um mich zu erinnern. Wie diese
Maschine funktioniert. Wie ich das Blatt einspanne. Und ich weiß, dass ich mich
jetzt sehr konzentrieren muss. Denn ein Fehler ist hier ein Fehler. Ich habe
den Text schon zur Hälfte abgetippt. Ich bin sehr vorsichtig. Und dann
unterläuft mir doch ein Fehler. Bei dem Wort Zufall kommt mir am Ende ein drittes L hinzu. Das ich nicht
aufhalten kann. Jemand tritt hinter mich. Blickt auf das Blatt. Überfliegt es.
Und spricht das Wort, das ich falsch schrieb, so aus, wie ich es geschrieben
habe. Die Person lacht.
Sie zieht das Blatt aus der Maschine. Und zerknüllt es. Ich verlasse den Raum.
(III)
Ich gehe wieder um das Gebäude. Gebe den
Code ein. Vierstellig. Und auch jetzt öffnet sich die Tür. Und ich stehe in
einem Raum. Er ist ganz silbern. Und die Menschen tragen Kleidung aus einem
Material, das ich nicht kenne. Es ist weiß. Und ich glaube, dass es atmet. Ich bin
mir nicht sicher, ob es die Menschen sind, die noch atmen. Oder ob es die
Kleidung ist, die das jetzt für sie tut. Die Kleidung scheint fest und porig
zugleich. Die Menschen tragen blaue Haare. Und der Schnitt ist identisch. Bei allen.
Wenn ich an ihnen vorbeigehe, riechen sie nach Lavendel. Was gut zu ihrem Haar
passt. Ich verstehe ihre Sprache. Sie ist wie meine. Nur gibt es einige Wörter,
die ich nicht kenne. Ich höre Dulukt.
Tronspender. Formalikon. Sie beschreiben Sachverhalte und Dinge, die mir nicht
vertraut sind. Weil ich hier im Zukünftigen bin. Dann sehe ich ein Becken. Am
Ende des Raums. Man bittet mich, hineinzugehen. Alle sprechen von einem Bad in der Menge. Auch hier gibt es eine
Verschiebung. Im Verständnis. Ich gehe die Stufen hinunter. Und tauche ein. Ich
tauche unter. Und da ist ein Sog. Der mich nach unten zieht. Und dann stehe ich
wieder vor der Tür. Mit dem Code.
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